Kurzgeschichte zu Ein Hauch von Schicksal

11/24/2017

Grace Rivers Zukunft


Ich erwache. Irgendwas ist passiert, ich spüre es genau. Als mein Blick sich klärt, frage ich mich, wo ich bin. Ich kneife meine Augen wieder zu und öffne sie wieder, in der Hoffnung, dass alles nur eine Wahnvorstellung war. Oder ein Traum. Aber nein. Alles sieht genauso fremd aus wie eben.

Ich setze mich in meinem Bett auf. Es ist ähnlich groß wie meines zu Hause aber ohne Himmel und ganz weiß und eckig. Zu meiner Rechten sind riesige Fenster, durch die kühles Licht herein scheint. Ich stehe auf und gehe dorthin.

Mir bleibt die Luft weg, als ich hinaus sehe. Überall sind gläserne Häuser und Türme. Ein paar Bauten, wie ich sie kenne, sind auch zu sehen, aber eher wenige.

Wo zum Teufel bin ich?

Ich drehe mich zum Zimmer und zucke plötzlich so stark zurück, dass mein Kopf an das Glas donnert. Au. Ich reibe meinen Kopf.

Der Grund für mein Erschrecken ist ein Gemälde, das dem Bett gegenüber an der Wand hängt. Darauf bin ich zu sehen.

Neugierig gehe ich näher. Ich habe auf dem Gemälde eine Mango in der Hand und ein Krokodil liegt zu meinen Füßen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass dieses Bild gemalt wurde. Es muss sehr alt sein, so weit reicht mein Kunstwissen gerade noch. An die 200 – 300 Jahre.

Vor 200 Jahren schrieb man das Jahr 1470. Wenn das Bild aber sogar noch älter war? Meines Wissens konnte man zu dieser Zeit noch gar nicht derartige Gemälde anfertigen. Das war erst vor etwa 5 Jahren erfunden worden.

Andererseits... ich sehe wieder aus dem Fenster. Das sieht alles sehr futuristisch aus.

Plötzlich habe ich einen Geistesblitz. Um nicht zusammen zu brechen, lasse ich mich schnell auf dem Bett nieder. Ich taste nach dem Talisman, der an einer Kette um meinen Hals hängt.

Gestern Abend habe ich doch einen Wunsch an diesen Talisman geäußert. Wie war noch gleich der genaue Wortlaut? Ein anderes Leben, egal welches, egal wo, egal wann.

Das kann doch nicht wirklich... oder doch? Das würde alles erklären. Einfach alles, das heute morgen passiert ist. Ich muss unbedingt einen Kalender finden. Ich muss wissen, welches Jahr wir momentan schreiben. Hier, nicht in meinerm Kopf.

Aber erstmal muss ich zum Abbott. Nur wo ist das? Hier im Raum ist nur eine Tür zu finden und die führt vermutlich auf den Flur hinaus. Doch so, in meinem rosa Nachthemd mit Spitze kann ich mich nicht vor anderen Leuten sehen lassen. Aber... ist hier überhaupt noch jemand im Haus?

Ich lausche. Und lausche. Als ich nach einer Weile immer noch kein Geräusch vernehmen kann, gehe ich vorsichtig zur Tür und öffne sie einen Spalt breit. Ich sehe mich um, als sei ich ein Meisterdetektiv. Niemand ist zu sehen.

„Hallo?“ rufe ich. Nichts. Nur Stille. Allem Anschein nach bin mutterseelenallein in diesem Haus. Seltsam. Immer war mindestens Cecily dabei. Wie soll ich ohne sie nur zurecht kommen?

Während ich mich nach dem Abbott auf die Suche mache und systematisch alle Türen öffne, fällt mir plötzlich wieder die Hochzeit mit Rhys Tyler ein, die mir bevorgestanden hatte. Fast tut mir die Person leid, mit der ich Leben getauscht habe, weil sie ihn jetzt heiraten muss. Aber nur fast. Cecily sagt immer, ich sei ein sehr egoistischer Mensch. Ich kichere.

In einem der Räume begegnet mir etwas, das einem Abbott gar nicht unähnlich sieht. Außer, dass es weiß ist und nicht aus Steingut. Hinter dem Ding sind zwei Schalter in die Wand eingelassen. Zumindest vermute ich, dass es Schalter sind, ich habe von so etwas nicht viel Ahnung. Wofür sie da sein sollen, verstehe ich allerdings kein Bisschen. Denn das Abbott wird ja wohl von der Haushälterin ausgeleert. Ich runzele die Stirn. Von der weit und breit keine Spur ist. Egal. Sie wird schon kommen.

Als ich wieder auf den Flur trete, beschließe ich, dass ich mich erst einmal ankleiden sollte.

Nicht, dass mich irgendjemand in diesem Aufzug sieht. Das wäre sicher auch in dieser futuristischen Zeit eine Schande.

Zurück in dem Zimmer, in dem ich aufgewacht bin, sehe ich mich um, ob irgendwo etwas ist, das dem Kleiderschrank bei mir zu Hause ähnlich sieht.

Ich fasse einen großen, viereckigen, weißen Kasten ins Auge. Da ist auf jeden Fall etwas drin. Hoffentlich Kleider. Ratlos bleibe ich davor stehen. Wie öffnet man ihn bloß?

Ich untersuche den Kasten sorgfältig, versuche an verschiedenen Stellen, ihn aufzuziehen. Er bleibt verschlossen. Schließlich lehne ich mich frustriert gegen die eine Kante.

...und wäre fast umgefallen. Die eine Wand des Kastens gleitet zur Seite und enthüllt tatsächlich Kleider. Zumindest hätten es Kleider sein sollen. Stattdessen sind es Hosen und Blusen. Wo bin ich denn gelandet? Hosen tragen doch nur Männer...

Da ich nur in die eine Hälfte des Kleiderschrankes – denn offensichtlich ist er genau das – sehen kann, beschließe ich, die gleiche Masche auch bei der anderen Kante zu versuchen und tatsächlich klappt es. Diesmal hängen dort auch einige Kleider.

Ich wähle ein grünes, das meine rot-goldenen Haare und meine grünen Augen betont und nach einem Kampf mit dem Kleid bewältige ich es sogar, den Reißverschluss am Rücken zu schließen.

Jetzt geht es mir schon viel besser.

Ich trete erneut auf den Flur hinaus und steuer auf die offene Doppeltür hin, die mir schon vorhin ins Auge gefallen ist. In dem Raum dahinter stehen einige gemütliche Sofas und Sessel. Ein Wohnzimmer.

Und an der Wand entdecke ich etwas, das ein Kalender sein könnte. Ich trete näher und begutachte ihn. Unten sind die Zahlen von 1 bis 31 geschrieben. Oben ist ein Bild mit herumtollenden Katzenbabys (wie süß!). Ich bewundere, wie täuschend echt es gemalt ist. Wirklich. Man könnte denken, die Katzen einfach berühren und streicheln zu können.

Unter dem Bild steht die wichtige Information, die ich brauche: Mai 2015.

2015? Gestern war ich doch noch im jahre 1679 gewesen. Das ist mehr als 300 Jahre früher als 2015!
Jetzt weiß ich es sicher: Ich, Grace Rivers, bin in der Zukunft gelandet! Durch einen Wunsch, der an einen Talisman gerichtet war. Und den beschriebenen Papieren nach zu urteilen, die auf dem Wohnzimmertisch liegen, heißt die Person, mit der ich mein Leben getauscht habe, ebenfalls Grace Rivers und ist auch noch genauso alt wie ich. Das ist wirklich, wirklich s

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